Reaktivierung von ländlichen Strukturen im urbanen Kontext am Beispiel
des Leisenhofareals in Linz
Wenn ein denkmalgeschütztes Hofensemble mit 51 ha Grünland durch die Ausdehnung der Stadt irgendwann nur 15 Gehminuten vom Zentrum entfernt ist, dann ist das spannend. Spannend daran ist vor allem dessen zukünftige Nutzung und die Zukunft der momentanen, prekarisierten Nutzer*innen. Aufgrund der idyllischen Lage zwischen Grünraum und Stadt steigt seit Jahren der Grundstückswert und somit zurecht das Entwicklungsinteresse des Eigentümers – der Diözese Linz. Einige Entwicklungsversuche scheiterten bereits, da verschiedene öffentliche und private Interessen reglementierend wirken. Eine neue landwirtschaftliche Nutzung etwa ist schwierig, da die Bausubstanz nach jahrelangem Leerstand den heutigen agrarökonomischen und tierschutzrechtlichen Anforderungen nicht mehr entspricht.
STÄDTISCHES LANDLEBEN SICHERN
In die Jahre gekommene Landmaschinen, Werkzeuge und unvollständige Stallanlagen zeugen noch von der landwirtschaftlichen Vergangenheit dieser Mauern. Die einst schmucken Fassaden der Höfe sind vergraut, Fenster zerbrochen, die Dächer krumm, die steinernen Treppenstufen abgetreten von den vielen Menschen, die hier ein- und ausgegangen sind. Hier grasen Pferde auf der Weide, bauen Menschen selbst Lebensmittel an, laufen Kinder spielend über die Wiesen und der Wind weht raschelnd durch die Baumkronen des Waldes. Ein idyllischer Wohlfühlort, wo aufgrund der Höhenlage selbst bei Stadtnebel die Sonne scheint. Wer würde hier nicht gerne wohnen wollen? Der Grüngürtel um das Leisenhofareal wird zwar durch strenge Widmungsauflagen geschützt, aber immer wieder kommt es zu Ausnahmen und „Palazzo-Protzi-Neubauten“. Das führt schleichend zur dramatischen Abnahme der wichtigen Grünräume in der Stadt. Naturräume werden so zerteilt und führen zu Biodiversitätsverlusten. Wichtige Speicherzonen verschwinden und beeinflussen nachweislich negativ das Stadtklima.
KIRCHE WEIT DENKEN
Der lokale „Zukunftsweg der Katholischen Kirche“ versucht, nach Papst Franziskus eine diözesane Neuausrichtung zu formulieren und auch einzuhalten. Als Österreichs Großgrundbesitzer ist die Institution aber nicht nur mit dem Glaubenswandel konfrontiert, sondern auch mit
ihrer solidarischen Verantwortung im Bereich Immobilienmanagement. Es mangelt an Fachpersonal, um individuelle und somit nachhaltigere Objektlösungen zu erarbeiten. Wie könnte der Eigentümer zukünftig vorgehen, um Orte wie das Leisenhofareal, welche scheinbar nicht entwickelt werden können, doch in eine sinnvolle Nutzung zu überführen? Welche Strategien und Schritte braucht es, um die vorhandenen Potentiale zu evaluieren und, wie Papst Franziskus in seinen Enzyklika fordert, solidarisch auszurichten?
STRATEGIEN DER REAKTIVIERUNG
Ich kam 2013 zufällig bei einem Spaziergang vorbei und blieb, denn die längst anstehende Reaktivierung des Areals drohte die ländliche Idylle auszuklammern. Die lokale Gerüchteküche sprach von exklusiven Wohnungen und Parken statt Grün und Garten. Um die Potentiale des Leisenhofareals sichtbarer zu machen, wurde 2014/15 ein Entwurfsprojekt mit der Architekturabteilung der Kunstuniversität Linz organisiert. Ein Hoffnungsfunken, denn 21 aussagekräftige Arbeiten entstanden. Danach wurde es wieder still. Im Herbst 2016 entwickelte ich im Rahmen meiner Masterarbeit den „Raum_Wagen“, einen unabhängigen Testraum und Kommunikator. Das brachte einiges in Bewegung. Nach jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit wurde ich 2017 von der Diözese angestellt, um mich offizieller einbringen zu dürfen. Mein Fokus lag, neben der Nutzungsfindung für das Hofensemble, auf dem Erhalt und der Weiterentwicklung der nach „Demeter“-Richtlinien geführten „Leisenhof-Gärtnerei“ und den angrenzenden Gärten. Dort soll auch in Zukunft nicht nur saisonal-lokales Gemüse für die Kund*innen des Bauernladens produziert werden, sondern sich langfristig ein grüner Lern- und Begegnungsort etablieren. Die Vor- Ort-Aktionen und das damit verbundene Netzwerken regten die Gründung eines interdisziplinären Planungsteams an, das sich aus Akteur*innen, Planer*innen und Vertreter*innen des Eigentümers und der zukünftigen Nutzergemeinschaft zusammensetzte. Ab 2020 soll das innerhalb eines kooperativen Planungsprozesses entwickelte Nutzungskonzept schrittweise umgesetzt werden. Als erster Schritt und sozialer Motor ist dabei der Umbau des Leisenhofes zum neuen Begegnungszentrum der katholischen Jugend geplant.
IDENTITÄT UND ZUKUNFTSVISIONEN
Diese Forschungsarbeit hat sich zur Aufgabe gemacht, den Transformationsprozess des Hofensembles in Bestlage aktiv mitzugestalten, auszuwerten und zu dokumentieren. Damit soll sichtbar gemacht werden, wie und warum sich dieser Ort in den letzten Jahren verändert hat und wie er sich weiter verändern könnte. Folglich wird ablesbar, wie beispielhaft dieses Areal für die Entwicklung von ländlichen Strukturen im urbanen Kontext ist und was man hieran für andere solidarische Entwicklungsprozesse und die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung lernen sollte.